Augenblicke

Heute wanderte ich entlang der Warschauer Straße um mich mit meiner Cousine zum Lunch zu treffen. Die Sonne schien und ich lächelte vor mich hin. Wenn ich so wandere, habe ich die Angewohnheit, Menschen, die mir begegnen, tief in die Augen zu schauen. Heute war ich sehr überrascht, denn keiner hat meine tiefen Blicke erwidert. Ich hatte eher das Gefühl, sie hatten alle Angst vor meinem durchdringenden Blick. Tatsächlich versuche ich bis zur Seele hindurch zu dringen, es gelingt nur sehr selten. Menschen scheinen nicht so offen zu sein, Tiere dagegen springen sofort darauf an und wollen sich sogar noch messen, beispielsweise Hunde. Am Schlesischen Tor wartete ich auf meine Lunchbegleitung und war fasziniert von den Tauben. Dort auf den Dächern des wunderschönen Ubahnhofs treffen sie sich, es gibt offenbar eine Kerngruppe von Tauben, dann fliegen sie gemeinsam im Formationsflug über die Straßen und umliegenden Häuser. Andere Gruppen von Tauben kommen hinzu und ordnen sich sofort der Formation unter und so fliegen sie umher und beeindrucken mich sehr. Es war so schön anzuschauen, wie immer mehr Tauben sich dem Formationsflug anschlossen, obgleich es kein Ziel gab, denn sie setzten sich danach einfach wieder auf die Dächer des Ubahnhofs. Ein Mann stand am Imbiss und wartete auf sein Essen und seine Blicke durchdrangen mich. Ich erwiderte es und konnte auch seine Seele erblicken, nur fühlte ich mich nackig und meine Sehnsucht riss meine Blicke von ihm weg, weit in den Himmel hinein. Unsere Blicke trafen die Augen des anderen und wir erlebten einen gemeinsamen Augenblick. Mein Herz stolperte kurz, sprang danach aber im Dreieck und ich fand den Glauben an die Offenheit des Menschen wieder. Vielen Dank unbekannter Mann und ihr lustigen Tauben. Ich bin überzeugt, sie fliegen nur der Lust wegen in Formation und zeigen somit ihren Humor!